Offen und verbindlich

Die Herrnhuter Brüdergemeine ist eine offene Kirche. Sie sieht ihren Weg zu Gott und zu Jesus Christus nicht als den einzig richtigen an. Das prägt ihr Verhältnis zu den Schwesterkirchen in der Ökumene. Und das bestimmt auch ihr Verhältnis zu den eigenen Mitgliedern, denen sie Raum zur individuellen Entfaltung lässt.

Zugleich möchte die Brüdergemeine ihren Glauben verbindlich leben. Ihr Ziel ist eine verbindliche Gemeinschaft von Schwestern und Brüdern, die sich auf dem Weg des Glaubens gegenseitig stützen, ohne sich einzuengen.

Offen und verbindlich – diese Spannung will mit Leben erfüllt werden: Offen für unterschiedliche Glaubensformen, ohne den eigenen Glauben an Jesus Christus zu verleugnen. Verbindlich im Glauben an Gott und in der Gemeinschaft mit Schwestern und Brüdern, ohne sich durch eine falsche Enge oder eine Vielzahl von Regeln einschnüren zu lassen.

Das ganze Leben in Gottes Gegenwart

Familiengottesdienst im Saal der Brüdergemeine Ebersdorf (Thüringen)

In der Herrnhuter Brüdergemeine sprechen wir oft von Versammlungen, wenn wir Gottesdienste meinen. Denn wie schon Zinzendorf verstehen wir unser ganzes Leben als Gottesdienst, als Liturgie. Damit drücken wir aus, dass wir in jedem Moment in Gottes Gegenwart leben, beim Arbeiten und Essen genauso wie beim Singen und Beten. Ein besonderes Beispiel hierfür ist das »Liebesmahl«.

Ostermorgen in Niesky: Feier der Auferstehung Jesu Christi

In der Herrnhuter Brüdergemeine kennen wir zahlreiche Formen, um unseren Glauben an Gott auszudrücken: Gottesdienste, in denen eine fröhliche und tiefe Gemeinschaft mit Gott und miteinander erlebt werden kann. Alte und neue Lieder, die helfen, Worte für den eigenen Glauben und das eigene Beten zu finden. Liturgien, die dem Glauben mit seinen vielfältigen Erfahrungen Sprache verleihen. Kreise und Gruppen, in denen man genauso über Glaubenszweifel wie über besondere Glaubenserfahrungen reden kann. Ein Umgang mit dem Sterben und dem Tod, der mitten im Diesseits eine Zuversicht ausstrahlt, die auch das Jenseits umfasst.

Gemeintag in Herrnhaag

Den Glauben singen und beten

Das Singen gehört in der Brüdergemeine zu jeder Versammlung, zu jedem Gottesdienst dazu. Das gemeinsame Loben und Danken, Bitten und Flehen zu Gott mit Liedern ist so wichtig, dass es dafür auch eine eigene Form gibt: die Singstunde, ein Liedgottesdienst, bei dem die Gemeinde Liedverse singt, die thematisch zu einem Bibelwort ausgesucht werden. Auf menschliche Auslegung wird verzichtet. Dies entspricht der Erfahrung, dass die gesungenen Lieder den Glauben oft viel direkter ins Herz bringen als jede noch so gute Predigt.

Für die Singstunde gibt es zwei Begriffe: Das Wort Gebetssingstunde zeigt, dass die gesungenen Lieder oft Gebete sind, mit denen sich die Singenden an Gott wenden. Der Begrifft Liederpredigt weist darauf hin, dass die einzelnen Strophen der Auslegung des vorgegebenen Bibelverses dienen.