Der Konziliare Prozess
Im Jahr 1934 schlug der Theologe Dietrich Bonhoeffer vor, die Kirchen sollten angesichts der heranziehenden Stürme in Europa ein Konzil des Friedens einberufen. Das war damals nicht mehr möglich. 1983 auf der Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) wurde diese Idee eines weltumspannenden Friedenskonzils aufgegriffen und durch eine ökumenische Weltversammlung in Seoul (Südkorea) 1990 erstmals verwirklicht.
Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung wurden als die zentralen Problemfelder erkannt, in denen sich die Zukunft unserer Erde entscheidet. Es wurde deutlich: Dies kann nur in einem beständigen und lang angelegten Prozess geschehen, in dem Basisgruppen und Netzwerke genauso einbezogen sind wie Institutionen und Gremien.
Mit der Charta Oecumenica von 2001 verpflichten sich viele Kirchen unterschiedlicher Konfessionen in Europa zum fortlaufenden ökumenischen Nachdenken, Beraten und Handeln. „Gottes Heiliger Geist möge uns leiten“! Im Blick muss immer das Wohl aller Menschen sein.
Die Brüder-Unität unterstützt die ökumenische Initiative „Für Alle. Mit Herz und Verstand“. Sie setzt sich mit Blick auf die Bundestagswahl für soziale Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung ein.
Im Vorfeld der Bundestagswahl am 23. Februar beteiligt sich die Evangelische Brüder-Unität – Herrnhuter Brüdergemeine (EBU) an der ökumenischen Initiative „Für Alle. Mit Herz und Verstand“. Diese wird von einer breiten Allianz christlicher Kirchen und Institutionen in Deutschland getragen. Dabei hebt die Brüder-Unität hervor, dass alle Menschen zu Wachsamkeit aufgerufen sind gegenüber den Kräften des Hasses, der Menschenverachtung, der Gewalt und der Vernichtung. Sie sieht ihre Aufgabe darin, sich für konkrete Zeichen der Gerechtigkeit einzusetzen. Auf ihrer Tagung in Herrnhut im Juni 2024 hatte die Synode der EBU ihre Haltung zur Demokratie bereits verdeutlicht: Die offene, tolerante und demokratische Gesellschaft ist eine wertvolle Errungenschaft, die aktiv erhalten, verteidigt und weiter verbessert werden muss, so die EBU. Dort heißt es in einem Beschluss weiter: die „Suche nach der Stadt Bestem (Jer. 29,7) bedeutet auch, sich in das Gespräch über demokratische Werte und über die Verbesserung demokratischer Teilhabe in unseren Ländern einzumischen. “
Kirchen wie die Evangelische Brüder-Unität spielen eine wichtige Rolle in der Initiative „Für Alle“, da sie als vertrauenswürdige und verbindende Institutionen innerhalb der Gesellschaft gelten. Sie tragen dazu bei, demokratische Werte zu fördern und eine offene, respektvolle Auseinandersetzung mit politischen Themen zu ermöglichen. Durch ihre weitreichende Vernetzung und ihre sozialen sowie bildungsorientierten Angebote können sie Menschen erreichen, die möglicherweise weniger Zugang zu politischen Informationen haben oder sich nicht aktiv in den demokratischen Prozess einbringen.
Die Bibel zur Sache
Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung sind zutiefst biblische Themen. Gerechtigkeit war zentrales Anliegen vieler Propheten. Der Prophet Amos wollte Gerechtigkeit wie einen starken Strom durch das Land Israel fließen lassen (Amos 5,24). Der biblische Friedensgruß „Shalom“ umfasst all das, was Gott für die ganze Menschheit und seine Schöpfung will: Gesundheit, Wohlergehen, Geborgensein in Gott, gutes Zusammenleben im Frieden unter den Menschen und mit der Schöpfung.
Frieden setzt Gerechtigkeit voraus. „Die Frucht der Gerechtigkeit wird Friede sein“ (Jesaja 32,17). Und ohne gerechte Strukturen kann es keinen Frieden zwischen den Menschen geben. Ungerechte Strukturen haben wir in unserem Rechtsverständnis von Eigentum, speziell an Grund und Boden, festgeschrieben und verinnerlicht. Die biblische Stellung zum privaten Eigentum ist eine völlig andere: „Die Erde ist mein“, spricht Gott (2. Mose 19,5; Psalm 50,12); „Ich bin gekommen, dass sie das Leben und volle Genüge haben sollen“. (Johannes 10,10); „Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon“ (Matthäus 6,24).
Jesus lebte die Gottesliebe und die Nächstenliebe (Matthäus 22,36 ff). Er fordert uns in unserer globalisierten Welt als seine Nachfolger dazu heraus, persönlichen Glauben mit öffentlicher Verantwortung zu verbinden.
Das Engagement der Brüder-Unität
Die Evangelische Brüder-Unität – Herrnhuter Brüdergemeine ist Gründungsmitglied des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) und der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK). Mission und soziales Engagement haben von jeher ihr Profil mitbestimmt. Im § 10 unserer Kirchenordnung heißt es: „Mit der ganzen Kirche Christi ruft die Brüder-Unität in die Menschheit die Botschaft von der Liebe Gottes hinein, wirkt für den Frieden der Welt und sucht der Menschen Bestes“.
Die Synode der Brüder-Unität beschloss 1991, jedes Jahr zu einer Tagung zum Konziliaren Prozess einzuladen. Jede Gemeinde soll einen Delegierten entsenden und finanzieren. Diese Tagungen finden jeweils am letzten Oktoberwochenende statt. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer bestimmen das Thema des nächsten Jahres und bringen Ergebnisse sowie Anregungen aus der Tagung in ihre Gemeinden und Lebensbezüge ein. Der Evangelische Entwicklungsdienst (EED) unterstützt diese Tagungen finanziell. An den Kosten sollte keine Teilnahme scheitern. Jugendliche sind in besonderer Weise willkommen, für sie steht ein Fonds zur Kostendeckung bereit.
Öffentliche Verantwortung
Die kleinen Schritte Einzelner hin zu Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung sind ein wesentlicher Teil des Prozesses. Je mehr Einzelne sich verbünden, desto mehr Wirkung entsteht, die auch politische Gestaltung bedeutet.
Der Rüstungs- und Militärbereich fordert uns besonders zur Wachsamkeit und zum Bemühen um Einflussnahme, denn Frieden muss gewagt werden. Die herrschende Wirtschaftsordnung ist ein entscheidendes Problem. Unser Bemühen soll den Anliegen des Konziliaren Prozesses Raum schaffen. Ein Umdenken ist nötig, damit Umweltschutz und schonende Nutzung lebenswichtiger Ressourcen Vorrang vor der Kapitalvermehrung haben. Ein materielles Wirtschaftswachstum darf kein Selbstzweck sein, sondern muss globale Not lindern. Inhaltlich können uns auch die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“ (Vereinten Nationen 1948) und die zehn „Grundüberzeugungen der Ökumenischen Weltversammlung in Seoul 1990“ leiten.