Ein Debattenbeitrag


von Matthias Clemens

 

In den letzten Wochen gab es in unserer Region viele Diskussionen über Windräder, vor allem durch eine Bürgerinitiative, die sich gegen deren Bau nahe Ninive, einem Ortsteil von Herrnhut, ausspricht. Diese Debatte ist wichtig und es ist verständlich, dass es Bedenken gibt. Besonders die optische Erscheinung der Windräder kann polarisieren. Deshalb müssen die Standorte mit Bedacht gewählt werden - auch weil Anwohner nicht durch Lärm oder Schattenwurf belästigt werden dürfen.

 

Es ist klar, dass in den Flyern von Windkraftgegnern nur die negativen Aspekte der Windenergie hervorgehoben werden. Und ja, jede Form der Energiegewinnung hat derzeit noch ihre Herausforderungen, Risiken und Schwachpunkte. Bis der neue, saubere und risikolose Energieträger verfügbar ist, müssen wir uns mit den Lösungen auseinandersetzen, die uns heute zur Verfügung stehen. Der Bedarf an Strom wächst – sei es durch die zunehmende Nutzung von Künstlicher Intelligenz, durch Wärmepumpen oder durch die Elektrifizierung von Fahrzeugen. Windkraft kann einen Teil der Lösung bieten, insbesondere als Übergangstechnologie, bis weitere Alternativen ausgereift sind.

Moderne Windenergieanlagen sind heute so konzipiert, dass sie in bestimmten Zeiten, etwa, wenn Fledermäuse in den Rotorhöhen unterwegs sind, die Leistung drosseln oder sich sogar ganz abschalten. Natürlich wird es weiterhin zu Unfällen mit Vögeln und Fledermäusen kommen – doch auch im Straßenverkehr gibt es solche Unfälle. Auf den Straßen werden jährlich über 200.000 Rehe überfahren, um nur einmal eine Tierart zu nennen, kleinere Tierarten werden gar nicht erst erfasst. Hinzu kommen die vielen Unfälle mit Personenschäden (über 2.800 Tote und 370.000 Verletzte im Jahr 2024, Quelle: Statistisches Bundesamt). Doch verzichtet jemand deshalb auf das Autofahren? Auch die Braunkohlenutzung zerstört Flächen und gefährdet das Leben vieler Tiere, allein schon bei der Beräumung der Vorfelder.

Die Sorge um den Verlust von Lebensräumen durch Windkraftanlagen ist verständlich. Ein Windrad benötigt etwa 0,5 Hektar Fläche, doch nur ein kleiner Teil davon ist das Fundament, das später auch wieder zurückgebaut wird. Der Rest der Fläche bleibt unversiegelt und kann wieder grün werden.
Wer in den letzten Jahren mit offenen Augen durch die Oberlausitzer Wälder gewandert ist, konnte vielerorts die Folgen des Klimawandels an den absterbenden Baumbeständen sehen. Oft haben Waldeigentümerinnen und Waldeigentümer ihre kompletten Wälder verloren. Neue Erträge sind auf diesen Flächen erst frühestens in 30 Jahren erwartbar. Bis dahin fallen aber jährlich Kosten für Pflege, Berufsgenossenschaft und Grundsteuer an. Wenn dann versucht wird, über einen Windkraftstandort diese Kosten für 20 – 25 Jahre (das ist die übliche Laufzeit einer Windkraftanlage) zu kompensieren, ist das betriebswirtschaftlich vernünftig. Wenn ein zeitlich begrenzter Windkraftstandort dabei hilft, schöne und möglichst auch wirtschaftlich ertragreiche Wälder wiederaufzubauen, was eben einen langen Atem, viel Kraft und Geld erfordert, dann ist das auch im Interesse der Allgemeinheit und im Sinne des Klimaschutzes. Und sollte es bei uns in der Vegetationszeit weiter trockener und heißer werden, ist nicht einmal garantiert, dass der Waldaufbau bei aller Anstrengung auch wirklich gelingen wird.
Wir als Forstbetrieb der EBU sind von verschiedenen Initiatoren, die auf nahe gelegenen Flächen unseres nördlichen Unitätswaldes Windkraftanlagen prüfen lassen, angefragt worden, ob auch wir dort Flächen bereitstellen würden. Aus den genannten Gründen stehen wir den Anfragen positiv gegenüber. Ob eines der Projekte tatsächlich realisierbar sein wird, ist noch unklar, denn die Träger öffentlicher Belange müssen gehört und Gutachten (Schall, Schatten, Naturschutz …) erstellt werden.  

Wichtig ist zu wissen, dass auch die angrenzenden Kommunen wirtschaftlich von den Windkraftprojekten profitieren, ohne selbst ein finanzielles Risiko einzugehen. Das ist gesetzlich geregelt und soll zur Akzeptanz der Windenergie beitragen. Zudem bieten viele Betreiber mittlerweile Bürgerbeteiligungen an, sodass auch die Anwohner direkt von den Projekten profitieren können.
Sollte eines der Projekte in der Planungsphase so weit kommen, dass eine Umsetzung realisierbar scheint, dann werden die Betreiber zu Informationsveranstaltungen einladen. Wer jetzt, in dieser sehr frühen Phase, Fragen hat, kann sich gerne an mich wenden.

Matthias Clemens ist Förster für die Wälder der Herrnhuter Brüdergemeine.
Der Artikel ist zuerst im Amtsblatt „kontakt“ der Stadt Herrnhut erschienen.

 

Artikel veröffentlicht am 09. Mai 2025