Via Exulantis – Begegnungen in Suchdol nad Odrou
Wenn Geschichte Zukunft schreibt
von Andreas Herrmann
„300 Jahre Emigration nach Herrnhut“ war Thema eines wichtigen Dialoges zum Thema Via Exulantis und zugleich Konferenzthema in Suchdol nad Odrou (Zauchtel) im Oktober. Rund 70 Teilnehmer aus Tschechien und auch Christiane Vollprecht, Heiner Steinmann und Andreas Herrmann von der deutschen Brüdergemeine erlebten drei Tage, die inhaltlich von der Geschichte der Wanderungen aus Tschechien nach Herrnhut, aber auch von Herrnhut in die Welt geprägt waren. Gekommen waren ebenfalls Gäste aus England, Österreich, Slowakei und Südkorea
Zum Programm gehörten die Enthüllung einer Gedenktafel und Baumpflanzung im Park der Mährischen Brüder in Suchdol. Außerdem besichtigten die Teilnehmer weitere Denkmäler der Brüder-Unität in Mankovice, Odry und Kletné. Wichtige Personen, die von Suchdol aus nach Herrnhut und von dort in die Welt gingen, waren der Indianermissionar David Zeisberger, die Angehörigen der Familie Nitschmann sowie das Ehepaar Johann und Elisabeth Schneider, das sich 1771 auf den Weg nach Labrador gemacht hatte. Die Teilnehmer legten am Grab von Martin Schneider (1612 – 1673), der vor Ort in Suchdol als Nachfolger von Jan Amos Comenius gilt, einen Blumenstrauß nieder. Interessant waren auch Vorträge zu den Wanderaktivitäten im Sommer auf der Via Exulantis, die auf knapp 500 Kilometern Herrnhut mit Suchdol verbindet. Dass man dabei nicht nur wandert, sondern sich auch auch per Fahrrad oder Motor-Bike auf die Spuren der mährischen Exulanten begibt, wurde dabei deutlich.

Daniel Říčan, der die Konferenz organisierte sagt, dass er sich vor allem freut, dass so viele Teilnehmer gekommen waren. Bis Weihnachten werde es die Konferenzpublikation geben und es seien auch noch drei weitere Veröffentlichungen zu historischen Themen geplant. Außerdem soll im Park der Mährischen Brüder in Suchdol ein Modell entstehen, wo die Wege von Zeisberger und Nitschmann im US-Bundesstaat Ohio dargestellt sind. Angesprochen auf die aktuelle Thematik Flüchtlinge in Tschechien sagt er, dass die Mehrheit der Tschechen Flüchtlingen helfen wolle, zum Beispiel auch mit Spenden. Vor kurzem sei eine ukrainische Familie mit sechs Kindern im Museum der Mährischen Brüder in Suchdol gewesen. Man habe sie herzlich empfangen und auch über Gott mit ihnen gesprochen.
Schön war auch, dass die Teilnehmer der deutschen Brüdergemeine etwas zum Gelingen der Konferenz beigetragen haben. Für Heiner Steinmann ist die Konferenz in Suchdol schon seit Jahren ein fester Termin. Für ihn gab es deshalb ein Wiedersehen mit Geschichtsinteressierten und natürlich konnte Bruder Steinmann auch wieder historische Impulse geben und mitnehmen. Christiane Vollprecht lag die Gästearbeit am Herzen und sie hat viel für ihre Arbeit zurück genommen, vor allem die Lebensgeschichten hinter den in Herrnhut bekannten historischen Namen. Mit großem Interesse hörten die Konferenzteilnehmer von der Verleihung des Titels UNESCO-Weltkulturerbe an die Siedlungen der Herrnhuter Brüdergemeine. Andreas Herrmann hatte dazu zu Beginn der Konferenz ein Grußwort in tschechischer Sprache gehalten und ging dort auch auf die Verbindungen zwischen der Emigration nach Herrnhut vor 300 Jahren und dem Migrationsproblem von heute ein.

Zu Ende ging die Konferenz mit einem Gottesdienst und Abendmahl im Gotteshaus der Evangelischen Kirche der Böhmischen Brüder (Českobratrská církev evangelická, ČCE), der größten evangelischen Kirche in Tschechien. Die Teilnehmer gedachten in der sogenannten Waldkirche der Brüder und Schwestern von damals. Diese hatten sich wegen der Unterdrückung durch die katholische Kirche oft an verborgene Plätze im Wald zurückgezogen, um ihren Glauben zu leben.
Trotz rigoroser Rekatholisierung und Gottesdienstverbot führten Einwohner von Suchdol bis in das 17. Jahrhundert die Brüdertradition im Geheimen fort. Als die Glaubensverfolgungen bis hin zu Gefängnisstrafen verschärft wurden, wanderten 1724 zahlreiche Einwohner nach Herrnhut aus, darunter die Nitschmann-Brüder, Melchior Zeisberger und zahlreiche andere. Auch Johann Amos Comenius wirkte in der Region. Zum Beispiel als Ältester in Fulnek, das etwa zehn Kilometer von Suchdol entfernt ist und wo es ein ausgezeichnetes und modern gestaltetes Museum zu seinem Leben gibt.

Artikel veröffentlicht am 25. Oktober 2024