Jahrestagung der Herrnhuter Missionshilfe
vom 27. – 29. Juni 2025
ein Bericht von Andreas Herrmann
„Er wird mit Gerechtigkeit richten die Armen und rechtes Urteil sprechen den Elenden im Lande.“ Mit diesem Wochenspruch aus Jesaja 11,4 eröffnete Bruder Frieder Waas am Samstagmorgen die diesjährige Jahrestagung der Herrnhuter Missionshilfe (HMH) in Herrnhut.
Etwa 50 Mitglieder sowie Gäste aus unterschiedlichen Gemeinden waren der Einladung gefolgt, um sich über aktuelle Entwicklungen und zukünftige Perspektiven auszutauschen.
Im Zentrum: Begegnung, Information und weltweite Mission
Ein Schwerpunkt der Tagung lag auf der Projektarbeit in Malawi. Dort unterstützt die HMH gemeinsam mit lokalen Partnern ein Frauenbildungszentrum nahe dem Flüchtlingscamp Dzaleka. Schutzbedürftige Frauen und Mädchen absolvieren hier „Short-Courses“ zu Themen wie Gesundheit, Ernährung, Frauenrechten und Mikrokrediten. Ziel ist es, insbesondere Frauen ohne formale Berufsausbildung zu stärken und ihnen Wege zur Selbstversorgung zu eröffnen. Gleichzeitig entstehen dort weitere Projekte, etwa ein Sportplatz für Jugendliche, mit besonderem Fokus auf die Bedürfnisse von Mädchen, denen bislang sichere Räume zum Spielen fehlen. Die Projektmitarbeiter Jonah Sinyangwe und Belinda Gondwe berichteten eindrucksvoll von der Arbeit vor Ort – von Erfolgen ebenso wie von Herausforderungen, insbesondere im Hinblick auf begrenzte finanzielle Mittel.
Ein weiteres wichtiges Arbeitsfeld liegt auf Sansibar, speziell auf der Insel Pemba. Dort arbeitet die Moravian Church Zanzibar gemeinsam mit der HMH am Aufbau einer Vorschule, Grundschule sowie an Plänen für eine Sekundar- und Berufsausbildung. Projektmanager Edger Teacher schilderte eindrücklich die Schwierigkeiten: Überfüllte Klassen, fehlende Ausstattung und Kinder, die statt in der Schule auf Feldern arbeiten. Der Neubau einer Vorschule mit Spielplatz und sanitären Anlagen soll eine deutliche Verbesserung bringen.
Wahlen und Weichenstellungen
In der Mitgliederversammlung wurde der Vorstand der HMH neu zusammengesetzt. Neu gewählt wurden:
- Rudolf Bausch
- Damaris Enkelmann
- Michael Gutekunst
- Christiane Vollprecht
- Johann Waas
Zusätzlich wurde Niels Gärtner als Referent neu in den Vorstand gewählt. Kraft Amtes gehören weiterhin Raimund Hertzsch (Direktion) und Bettina Nasgowitz (Schatzmeisterin) dem Vorstand an. Katharina Kronbach wird – gemeinsam mit den Schwestern Almut Clemens und Katharina Goodwin – beratend mitwirken. Alle Kandidatinnen und Kandidaten stellten sich persönlich oder per Videobotschaft vor.
Im Diskussionsteil der Jahrestagung rückten zentrale Herausforderungen und Zukunftsthemen in den Fokus. Dabei wurden nicht nur aktuelle Entwicklungen reflektiert, sondern auch drängende Fragen gestellt – mit Blick auf die sich verändernde globale Förderlandschaft und geopolitische Rahmenbedingungen, darunter auch die möglichen Auswirkungen einer Trump-Regierung in den USA. Ein zentrales Thema war die spürbare Reduktion internationaler Fördermittel. Teilnehmende äußerten Sorge darüber, wie sich internationale politische Verschiebungen und eine zunehmende Abschottungspolitik auf entwicklungspolitische Zusammenarbeit auswirken könnten.
Vor diesem Hintergrund stellte der Vorstand der HMH künftige Arbeitsschwerpunkte vor: So soll die Bildungsarbeit auf Sansibar weiter ausgebaut werden, ebenso wie Programme und neue Projektinitiativen in Malawi. Dabei geht es vor allem darum, benachteiligten Gruppen – insbesondere Frauen und Jugendlichen – den Zugang zu Bildung, Schutz und Selbstbestimmung zu ermöglichen.
In der Diskussion wurde deutlich: Die Frage nach globaler Gerechtigkeit bleibt aktuell – gerade dann, wenn finanzielle Mittel knapper werden und internationale Solidarität auf dem Prüfstand steht. Die HMH sieht sich auch künftig in der Verantwortung, Teilhabe, Bildung und menschenwürdige Entwicklung zu fördern trotz politischer Unsicherheiten und begrenzter Ressourcen. Die Kraft der Partnerschaften vor Ort und das Vertrauen in Gottes Wirken bleiben tragende Säulen dieses Engagements.
Kultur, Gastfreundschaft und geistliche Gemeinschaft
Die Tagung war nicht nur von inhaltlicher Arbeit geprägt, sondern auch von gemeinsamen Erlebnissen und kulturellem Austausch. Ein geführter Rundgang im Völkerkundemuseum Herrnhut bot Einblicke in die geplante Neukonzeption der Afrika-Ausstellung, die voraussichtlich 2026 neu eröffnet wird, wie Standortmanagerin Silke Piwko informierte. Interesse fand auch ein Ölgemälde des Missionsschiffs „Harmony 4“, das einst dem Missionshandelsinspektor Carl Lindner gehörte. Der Ankauf wurde möglich durch Spenden, die der Freundeskreis des Herrnhuter Völkerkundemuseums e.V. gesammelt hatte.
Ein Stadtrundgang führte zu charakteristischen Orten Herrnhuts – der Sternemanufaktur, dem Vogtshof und dem Gottesacker. Eine Andacht mit Gemeinhelfer Peter Vogt vermittelte dabei Einblicke in das UNESCO-Welterbe Herrnhut mit seinen geistlichen und missionarischen Aspekten. Das Welterbe habe auch ganz viel mit Mission zu tun, nicht nur wegen des Gemeinschaftsgeistes in den Siedlungen der Brüdergemeine, sondern eben auch wegen dessen internationaler Ausstrahlung, sagte Bruder Vogt.
Musikalisch bereichert wurde die Tagung durch die Singstunde mit den Simsala Singers, dem Chor der Herrnhuter Diakonie.
Gemeinschaft im Gottesdienst am Sonntag
Im Sonntagsgottesdienst wurde die Gemeinschaft besonders spürbar. Die Begrüßung erfolgte mit den Worten Jesu aus Matthäus 11,28: „Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken.“ Die Predigt, basierend auf Epheser 2,17–22, thematisierte Unterschiede zwischen Menschen – „nah und fern“, Insider und Outsider, Zugehörigkeit und Fremdsein. Es wurde deutlich, dass in Christus alle eins sind: „So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen.“
Die Gäste wurden herzlich begrüßt, viele fühlten sich willkommen – unabhängig von Herkunft oder religiöser Prägung. Der HMH-Infostand mit „Moravian Merchandise“-Produkten lud zum Austausch ein bei einer Tasse Kaffee, im Geist der Gemeinschaft.
Die Jahrestagung der Herrnhuter Missionshilfe in Herrnhut war geprägt von einer lebendigen Verbindung zwischen lokalem Glauben und weltweiter Verantwortung. In Gesprächen, Vorträgen, kulturellen Begegnungen und geistlichen Momenten zeigte sich das, was die Brüdergemeine seit jeher ausmacht: ein missionarisches Herz, getragen von Gemeinschaft, Offenheit und der Hoffnung auf Erquickung und Frieden für Menschen nahe und fern.
Andreas Herrmann ist Pressesprecher
der Evangelischen Brüder-Unität