Unser Versöhnungsfest
Gedanken zum Karfreitag
von Judith Baudis
In der Karwoche 1945 hat sich folgendes Ereignis zugetragen: Amerikanische Truppen erreichten die badische Stadt Osterburken um sie – notfalls mit Gewalt – zu besetzen. Ein französischer Priester, der in Osterburken als Kriegsgefangener Zwangsarbeiten verrichten musste, ging mutig, eine weiße Fahne schwenkend, den Amerikanern entgegen und bewahrte die Stadt seiner Peiniger vor Beschuss. Er, ein Opfer des Nazi-Regimes, wurde so zum Retter und Friedensstifter. Freiwillig blieb er anschließend im Land seiner Feinde und arbeitete als katholischer Krankenhaus-Seelsorger in Buchen/Odenwald. Er lebte Versöhnung.
Welch beeindruckende Ostergeschichte!
Versöhnung braucht Verständnis für die Sichtweise des Gegenübers. Sie lässt dem oder der anderen die Freiheit, anders zu sein. Vergebungsbereitschaft für erlittenes oder vermeintlich erlittenes Unrecht ist eine weitere Voraussetzung. Doch Vergebung ist so schwer: auf Rache verzichten, eigene Verletztheit aufgeben, sich selbst zurücknehmen. Wer Versöhnung will, muss einen ersten Schritt tun, die Hand reichen, die Arme ausbreiten. Nicht Waffenstillstand, sondern Friede ist das Ziel. Ehrlicherweise müssen wir uns eingestehen, dass wir dies aus eigener Kraft meist nicht schaffen.
Aber was hat denn das mit Ostern zu tun? Ostern ist doch unser Frühlingsfest, voller Schoko-Hasen und bunter Eier, Blumensträußchen und Kinderlachen. Die Natur erwacht, die Tage werden länger, die Vögel singen und die Sonne strahlt! Und darüber dürfen und sollen wir uns auch freuen. Jedoch, da ist noch mehr: Das jüdische Passah-Fest erinnert an den Auszug der Israeliten aus Ägypten, an den Aufbruch in eine neue Zeit der Befreiung aus der Sklaverei. Dabei symbolisiert das ungesäuerte Brot die gebotene Eile und der Wein das Lammblut an den Türpfosten zur Abwehr des Todesengels.
Jesus feiert dieses Fest ein letztes Mal mit seinen Jüngern, seinen engsten Vertrauten. Und er gibt Brot und Wein eine neue Bedeutung: Das gebrochene Brot soll ab jetzt seinen leiblichen Tod symbolisieren, der Wein sein vergossenes Blut. Wozu das alles? Warum gibt Jesus seinen Nachfolgern den Auftrag, dieses Erinnerungs-Mahl immer wieder abzuhalten? Wird das nicht langweilig? Es geht um Versöhnung! Gott bietet uns Menschen in all unserer Schuldhaftigkeit Seine Versöhnung an. Egoismus und Selbstherrlichkeit trennen uns von unserem Himmlischen Vater. Wir setzen uns gern selbst auf den göttlichen Thron oder basteln uns unsere eigenen kleinen Götterchen: Prunk und Protz, Karriere und Macht, Glücks- und Schutzfiguren, Drogen und was uns sonst noch so gefangen nimmt. So versündigen wir uns an unserer Gesundheit, an unseren Mitmenschen, an Umwelt und Natur und somit an Gott selbst. Hass und Hetze, Ausbeutung und Gleichgültigkeit, Fake News und Manipulationen zerstören alles. Wir haben die Aufgabe, die Schöpfung zu bewahren, doch wenn die
Beziehung zum Schöpfer gekappt ist, rennen wir ins Verderben. Da hilft es nur, Seine versöhnende Hand zu ergreifen.
In Jesus Christus hat sich Gott selbst in unsere Welt begeben. Er ist uns Bruder geworden, hat sich unter unsere Schuld gebeugt und unsere Strafe auf sich genommen. Weil wir es nicht schaffen gerecht zu sein, hat Er uns Seine Gerechtigkeit als Geschenk angeboten. An Jesu schrecklichen Kreuzestod als stellvertretendes Opfer erinnert uns jedes Jahr der Karfreitag, bis wir am Ostersonntag über das leere Grab und Jesu Auferstehung jubeln können. Der Tod hat nicht das letzte Wort, denn Gott selber ist das Ewige Leben. Wir müssen Sein Versöhnungsangebot nur annehmen. Dann wird es uns ein Bedürfnis sein, selber den Mitmenschen versöhnlich, friedlich und liebevoll zu begegnen.
Der Apostel Paulus schreibt im Epheserbrief 2,16: Christus ist für alle Menschen am Kreuz gestorben, damit wir alle Frieden mit Gott haben. In seinem neuen Leib, der Gemeinde von Christus, können wir nun als Versöhnte miteinander leben.
Judith Baudis ist Religionslehrerin im Ruhestand. Sie wohnt in Königsfeld
und engagiert sich ehrenamtlich, etwa als Mitarbeiterin im Laden „mittendrin“
Artikel veröffentlicht am 18. April 2025