Ausstellungseröffnung im Schloss Moritzburg



ein Bericht von Andreas Tasche

 

 

Der Eingangsbereich von Schloss Moritzburg bei Dresden schimmerte in Arktisch-Blau und in kühlen Pink- und Grün-Tönen, als am 19. Juni 2025 etwa 150 geladene Gäste aus Politik, Kultur, Geschichtswissenschaft und Museologie zusammenkamen, um der Eröffnung der Ausstellung „Dünnes Eis – Inuit zur Schau gestellt“ beizuwohnen. 

 

 

Die Ausstellung widmet sich einem Ereignis, das vor 200 Jahren stattfand: einer Schau von zwei 20-jährigen Inuit aus der Herrnhuter Missionsstation Hoffenthal in Labrador am 10. März 1825 auf dem Schlossgelände und auf dem Schlossteich von Moritzburg. Die Schau sah damals nicht nur der gesamte sächsische Königshof, sie tourte über mehr als vier Jahre durch Nordamerika, Großbritannien und Kontinentaleuropa und wurde – begleitet von einem großen Medieninteresse – von mehreren Hunderttausend Menschen gesehen.

George und Mary – so die Taufnamen der beiden Inuit – starben während der Schau, ebenso das neugeborene Kind von Mary. Noch der tote Körper von George wurde wochenlang vom Initiator der Schau, dem kanadischen Kapitän Samuel Hadlock Jr. (1792 – 1829), ausgestellt. Als Mary nach drei Jahren gestorben war, wurde George eine falsche „Mary“ – eine verkleidete Europäerin – zur Seite gestellt, weil ein Eskimo-Paar besser zu vermarkten war als ein alleinstehender Eskimo-Mann. Den Inuit war vorgegaukelt worden, sie würden ihre Heimat nur drei oder vier Monate entbehren müssen …

Die Ausstellung, an der von einigen Experten unter Federführung der Museologin Margitta Hensel gedanklich zehn Jahre lang gearbeitet wurde, ist nicht nur im dafür vorgesehenen Ausstellungsbereich im zweiten Obergeschoss von Schloss Moritzburg zu sehen. Einzelne Exponate werden auch in den barocken Prunkräumen gezeigt und fungieren dort als eine Art Stolperstein – ein kühnes Experiment. Schon auf der Schloss-Terrasse grüßt ein kleines Kajak und ein globaler Wegweiser, der u. a. die Entfernung nach Herrnhut und Labrador angibt.

 

 

Insgesamt ist die Ausstellung – trotz ihrer Textlastigkeit – gelungen (75% Texte; 20% Bilder & Karten; 5% historische Exponate u. a. aus dem Völkerkundemuseum in Herrnhut). Highlight der Exposition ist sicher das vom Londoner Maler John Rassel (1745 – 1806) stammende Ölgemälde der indigenen Mikak (1740 – 1795) mit ihrem Kind, das vorher noch nie bei einer Ausstellung gezeigt wurde. Mikak war es, die den Herrnhutern in den 1760er Jahren den Weg nach Labrador ebnete.

 

 

Der Ausstellung gelingt ein mehrfacher Spagat: Das Leben des George und der Mary, die 1825 für kurze Zeit im Schloss Moritzburg weilten, wird ebenso präzise nacherzählt wie das Leben der Inuit an der Labrador-Küste im 21. Jahrhundert. Zu Worte kommt in einem interaktiven Ausstellungsteil im Eingangsbereich des Schlosses unter anderem das kürzlich ordinierte indigene Pfarrer-Ehepaar der Brüdergemeine, McKinley und Darlene Winters. Das gewaltige Interesse der Menschen im Europa des frühen 19. Jahrhunderts an der Präsentation von George und Mary und ihren Künsten (Jagd- und Rudervorführungen, Bogenschießen, Fischfang, die spektakuläre Kajak-Kenterrolle) wird ebenso deutlich wie die Menschenrechtsverletzung, die die Präsentation der jungen Inuit faktisch darstellte. Am Rande erzählt die Ausstellung – durchaus mit Wohlwollen – von den Anfängen und sogar von der heutigen Gestalt der Herrnhuter Mission. Es wird deutlich, dass die Herrnhuter mit der Planung und Durchführung der Präsentation von George und Mary nicht nur nichts zu tun hatten, sondern sogar Kontakt mit George aufnahmen, ihn seelsorgerlich betreuten und ihm Aktuelles aus seiner Heimat Labrador erzählten.

 

 

Weniger gelungen, weil schlecht moderiert, war die Eröffnung der Ausstellung. Die Leitfrage, unter die der Moderator seine Befragung der drei wichtigsten Ausstellungsmacher stellte: „Was bleibt vom Besuch von George und Mary 1825 in Moritzburg?“, war unangemessen und führte ins Leere – und die Befragten, die sicher Wichtiges zu sagen gehabt hätten, ins Stammeln. Was soll schon bleiben von Menschen, die nur Objekte und niemals Subjekte waren und die deshalb keine „Botschaft“ an ihr Publikum hinterlassen konnten? George und Mary sprachen übrigens kaum Englisch und schon gar nicht Deutsch. Ungenutzt blieb leider die Chance, die Eröffnungsfeier dazu zu nutzen, das neuzeitliche Unwesen der kommerziellen Schlepper zur Sprache zu bringen, die heute dasselbe tun, was Kapitän Samuel Hadlock Jr. damals tat: Menschen aus Ländern in kolonialen Verstrickungen mit falschen Versprechungen nach Europa locken und dabei Unsummen daran verdienen.

 

 

Dennoch: Dank an alle Personen, die sich mit Hingabe um die informative Ausstellung verdient gemacht haben, sowie an alle staatlichen Behörden und Institutionen, die die Ausstellung finanziert bzw. anderweitig ermöglicht haben. Ein Kommen nach Moritzburg lohnt sich!

 

Andreas Tasche ist Pfarrer im Ruhestand.
Für die Herrnhuter Missionshilfe berichtet er
aus verschiedenen Regionen
der weltweiten Brüder-Unität.

 

 

 

– Die Ausstellung im Schloss Moritzburg ist bis zum 2. November 2025 täglich von 10 Uhr bis 18 Uhr geöffnet –


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Artikel veröffentlicht am 27. Juni 2025

 

Artikel veröffentlicht am 27. Juni 2025