Aus sechs Nationen versammelt
Bibliodrama-Workshop in Herrnhaag
von Katharina Rühe

Am Ende stand ein kleines Fest mit der Übergabe der Zertifikate zur Teilnahme an einem Training für Bibliodrama über neun Tage vom 11. bis 19. August 2025 in Herrnhaag unter der Leitung von Beata Chrudzimska aus Polen und Katharina Rühe aus Deutschland. Es wurde ausgelassen gelacht, beglückwünscht und getanzt. Wer den Herrnhaag kennt, weiß, dass das im Saal der Lichtenburg besonders gut geht.
Unsere DJ’s waren zwei junge Südafrikaner, Benito und Leighlin. Außerdem lernten wir noch einen kenianischen Tanz, den unser Übersetzer uns beibrachte. Er übersetzte während des Trainings für eine junge Tansanierin, Lusia, von Kisuahili ins Englische und zurück. Der Beschluss steht, dass die zehn Teilnehmenden mit den zwei Leiterinnen weiterlernen wollen, wenn möglich im nächsten Jahr und zwischenzeitlich online.
Wie kamen nun also diese Menschen aus sechs Nationen zusammen? Neben den Leiterinnen und Teilnehmenden aus Südafrika, Tansania, Kenia, Polen und Deutschland waren auch noch Teilnehmende aus den Niederlanden und Deutschland dabei.
Es war die Idee von Br. Trevor Engel, der aus Südafrika stammt und in Deutschland am Ende einer Bibliodrama-Trainerausbildung stand. Meine Begeisterung für Bibliodrama und meine Kontakte in die weltweite Brüdergemeine nutzend, planten wir gemeinsam, die Bibelarbeitsmethode des Bibliodrama in einem internationalen Training unter anderem auch nach Afrika zu transportieren. Es fanden Vorworkshops in jedem der Länder statt, je zwei wurden dann ausgewählt, an dem Training in Herrnhaag teilzunehmen.
Leider starb Trevor Engel plötzlich im März. Er wurde in Südafrika beerdigt. Wir organisierten zwei bewegende online „Memorials“ – Liebesmahle, eines in englischer Sprache, ein anderes in Kisuahili und Englisch, um von ihm im Kreis derer, die mit ihm auf dem Bibliodrama-Weg waren, und einigen Familienmitgliedern Abschied zu nehmen. So etwas habe ich noch nie vorher erlebt. Es war ein wichtiger Schritt, um auch in seinem Sinne weiterzugehen. Die polnische Co-Leiterin, die aus der römisch-katholischen Kirche stammt, meinte nun, dass ich nicht nur organisieren sollte, sondern auch in die Leitung gehen möge, denn es wäre jemand aus der Brüdergemeine an dieser Stelle wichtig. Die doppelte Rolle war nicht immer leicht, die Hilfe aus meiner Gemeinde Rhein-Main war jedoch eine gute Unterstützung!
Kurz vorher mussten die beiden tschechischen Teilnehmenden absagen, da es in den Familien Krankheitsfälle gab, die ihre Anwesenheit nötig machten. So gewann ich den südafrikanischen Bruder, der in Herrnhaag gerade einen Freiwilligendienst absolviert, und später dann noch unseren Übersetzer als Teilnehmende dazu, so dass wir dann wieder zu zehnt waren.
Was ist Bibliodrama denn nun? Es ist eine Methode, in der wir uns über einen Zeitraum von einer Woche oder einem Wochenende, einem Tag oder ein paar Stunden ganz einem biblischen Text widmen, in ihn „hineingehen“, uns viel Zeit lassen, dem Geschehen im Text „nachzugehen“.
Einer unserer Texte war „Die Heilung des blinden Bartimäus“ aus Markus 10, 46-52. Da Bibliodrama immer die persönliche Auseinandersetzung mit einem biblischen Text beinhaltet, ist es nötig, erst einmal auf die eigene Stimme zu horchen, die im Trubel der Zeiten am besten über unseren Körper zu „hören“ ist. Also begannen wir damit, uns zu bewegen, ihm etwas Gutes zu tun, wo vielleicht noch etwas „klemmte“. Ein zweites wichtiges Element im Bibliodrama ist die Begegnung mit anderen. Also grüßten wir uns gegenseitig ohne Worte. Nun kam das dritte Element des Bibliodrama ins Spiel: Die biblische Geschichte. Im Leben des Bartimäus war es ein wichtiger Schritt, um Hilfe zu rufen. Also wurde ausprobiert, wie es ist, jemanden um Hilfe zu bitten, und wie es ist, um Hilfe gebeten zu werden. Andere Übungen folgten, die dann zu zweit besprochen wurden.
Nun näherten wir uns noch intensiver dem Text, wir lasen ihn mehrmals in verschiedenen Varianten und Sprachen. Eine spannende Erfahrung war es, ihn im Kreis gehend zu lesen und wenn jemand eine Frage an das Geschehen hatte, durfte „stop“ gerufen und die Frage gestellt werden. Sie wurde nicht beantwortet, wir erkannten jedoch die Knackpunkte.
Dann sollten sich die Teilnehmenden ein Wort aus dem Text aussuchen, das sie besonders berührte. In einer Fünfergruppe durften sie sich über ihre Worte austauschen mit dem Ziel, aus den fünf Worten der Gruppe eine Skulptur zu bauen. Diese wurde den anderen vorgeführt und besprochen.
Das Zeichnen einer Lebenslinie, an welchen Stellen meines Lebenslaufes ich denke, dass ich von Gott gerettet wurde, zeigt, wie wichtig es im Bibliodrama ist, das biblische Geschehen auf das eigene Leben zu beziehen. Deshalb wurde jeder Abschnitt mit dieser Geschichte an den anderthalb Tagen auch abgeschlossen mit einem sogenannten Herzensgebet. Dabei wird in der Stille und Meditation nur ein einziger Satz innerlich gesprochen und wiederholt. Unser Satz war die Bitte des Bartimäus: „Sohn Davids, erbarme dich!“ Das Taizé-Lied „Occuli nostri“ begleitete uns diese Tage in besonderer Weise: „Unsere Augen sehen stets auf den Herrn“.
Erst nach diesem langen Prozess der Beschäftigung mit den Elementen der Geschichte wurde die ganze Geschichte gespielt. Rollen wurde benannt und ausgesucht. Mit den vielen mitgebrachten Tüchern konnten sich die Teilnehmenden in ihre Rollen „hineinverwandeln“. In einem Interview wurde allen deutlich gemacht, wer wer ist. Es wurde gefragt, was sie denken und was ihr Anliegen ist. Im Eintreten in den Spielraum aller begann das freie Spiel.
Die Leiterin beendete es und alle legten ihrer Rolle wieder ab. Dann begann ein ganz wichtiger Teil des Bibliodramas. Es wurde reflektiert, was die einzelnen in ihren Rollen erlebt haben und was sie für ihr eigenes Leben und ihren Glauben daraus für eine Erkenntnis ziehen. Das wurde dann festgehalten in einem Bild, damit die Erkenntnis nicht verloren geht.
Wir haben viel miteinander erlebt, voneinander kennengelernt, von unserem Glauben und unseren Zweifeln geteilt. Die Theorie dieses prozessualen Bibliodramas haben wir anhand der aktuell erlebten Texte durchgesprochen. Am Ende hat jede Ländergruppe dann ein eigenes kleines Bibliodrama ausgearbeitet und mit uns durchgeführt. Es war für mich erstaunlich, wie die Geschwister im Alter zwischen 21 und 69 Jahren einander nah gekommen sind. Die englische Sprache war für niemanden von uns die Muttersprache. Am besten sprachen es der Kenianer und die Südafrikanerin. Immer wieder mussten wir nach den rechten Worten suchen, das taten wir gemeinsam, und es war – kein Problem. Die Flüsterübersetzung half der Tansanierin sich engagiert einzubringen.
Wir hatten alle einen Gebetspartner oder eine Gebetspartnerin über die Zeit in Herrnhaag und verabredeten uns am Ende, dass wir miteinander auch auf diese Weise verbunden bleiben und auf dem Weg, Bibliodrama zu lernen und in unseren Gemeinden zu nutzen, bleiben wollen.
Allen unseren Sponsoren – der Zeister Zendingsgenootschap, der Moravian Church Foundation, den Mitgliedern der Europäisch-Festländischen Brüder-Unität, die eine Kollekte für diesen Zweck gegeben haben, der Graf-Zinzendorf-Stiftung, der Herrnhuter Mission in der Schweiz und der Herrnhuter Missionshilfe – danke ich nicht nur für die finanziellen Mittel, sondern auch für ihre Begeisterung für dieses Projekt und ihre Gebetsunterstützung!
Katharina Rühe ist als Gemeinhelferin der Brüdergemeine
im Bereich Rhein-Main tätig
Eindrücke von Teilnehmenden
– alle Interviews in englischer Sprache –
Artikel veröffentlicht am 12. September 2025
Artikel veröffentlicht am 12. September 2025