Synode 2023
Sondertagung der Synode der Europäisch-Festländischen Provinz der Brüder-Unität

Vom 22. bis 25. Juni 2023 fand in Herrnhut eine Sondertagung der Synode der Europäisch-Festländischen Provinz der Brüder-Unität (EFBU) statt. Vorangiger Gegenstand dieser Tagung war die schon 2018 beschlossene Wahl eines Bischofs bzw. einer Bischöfin. Nach dem Ausfall der Synode 2020 und einer digitalen Tagung im März 2022 erschien es dem Kirchenparlament wichtig, seine Gemeinschaft auch wieder in echter Begegnung und Austausch zu vertiefen.
Bischöfe haben in der Brüder-Unität kein kirchenleitendes, sondern ein seelsorgerliches und die Kirche international verbindendes Amt. Derzeit gibt es in der EFBU vier Bischöfe, von denen sich drei schon im Ruhestandsalter befinden.
Nach Vorstellung der insgesamt sechs Kandidaten und Kandidatinnen sowie Rückfragen und Beratungen wurde am Samstag, 24. Juni, gleich im ersten Wahlgang Rhoïnde Doth als Bischöfin der Brüder-Unität gewählt.
Im Synoden-Tagebuch auf dieser Seite geben wir Eindrücke aus den Sitzungen im Herrnhuter Kirchensaal in Wort und Bild.
Die Synode 2023 Tag für Tag
Donnerstag, 22. Juni – Beginn der Synode 2023
Willkommen in Herrnhut zur außerordentlichen Tagung unserer Synode!
Seit Tagen sind viele hier mit Vorbereitungen beschäftigt. Die Mitarbeitenden des Synodalbüros, die Dolmetscherinnen und Übersetzerinnen, die Techniker, der Synodalvorstand und die Direktion (Kirchenleitung) sind schon da – die Delegierten aus vielen Ländern kommen in den nächsten Stunden in Herrnhut an.
Heute Abend geht es mit Abendessen und Andacht los. Um 19.45 Uhr ist die erste – „konstituierende“ – Sitzung unseres Kirchenparlaments.
Großer Dank geht an die vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer in Herrnhut, die den Kirchensaal und die Arbeitsräume vorbereitet haben und die viel freundliche Unterstützung im Hintergrund garantieren.
Wir freuen uns auf dreieinhalb intensive Tage, an deren Ende wir einen neuen Bischof haben werden – oder eine Bischöfin!
Der erste Tag der Synode beginnt mit einer Andacht. Dazu gehört auch der gemeinsame Gesang aus den mehrsprachigen Liederheften, die bei jeder Synode zum Einsatz kommen.
Zum Singen gab es viel Gelegenheit am ersten Tag und das sogar schon lange vor der Eröffnungsandacht. Die musste nämlich um zwei Stunden verschoben werden, da der Abend vom Warten auf den Reisebus aus den Niederlanden geprägt war. Nachdem der Bus erst länger im Stau stecken blieb, kam er obendrein noch in eine gründliche Kontrolle der Polizei.
Peter Vogt, der Vorsitzende des Synodalvorstands, nutzte die zu füllende Zeit vor allem dazu, den neu restaurierten Herrnhuter Kirchensaal vorzustellen, wozu neben der Lichttechnik und den Kronleuchtern auch die überarbeitete Orgel gehört.
Großer Applaus, als er dann nach dem Spontanprogramm eine halbstündige Pause ankündigte. Allerdings nicht etwa, weil die Delegierten schon so entkräftet gewesen seien, sondern nur deswegen, weil genau in diesem Moment der lang ersehnte Bus mit den niederländischen Synodalen am Fenster vorbeifuhr.
Um 21.00 Uhr füllte sich der Saal erneut, dieses Mal auch mit der niederländischen Delegation und es konnte endlich mit der gemeinsamen Andacht losgehen. In der Ansprache bezog sich Benigna Carstens auf die Tageslosung, die mit den Worten des Propheten Jeremia Gott um das Fortbestehen des Bundes mit uns bittet.
Als Peter Vogt schließlich um 21.30 Uhr die erste, konstituierende Sitzung eröffnete, drückte er aus, wie gut es sei, dass wir uns alle endlich wiedersehen. Da es weniger Themen zu bearbeiten gebe, haben wir nun mehr Zeit für Austausch und Vertiefung. Gleichzeitig sei auch das Hauptanliegen der Synode spannend: Die letzte Bischofswahl in unserer Unitätsprovinz liegt dreizehn Jahre zurück, für die meisten von uns sei diese Wahl also eine neue Erfahrung.
Im Anschluss gedachten wir der seit der digitalen „Corona-Synode“ im letzten Jahr heimgegangenen Geschwister, die im Dienst der Unität standen oder Synodale waren.
Danach die üblichen Formalitäten, so wurde die Anwesenheit der Mitglieder überprüft, die Geschäftsordnung genehmigt und die grundsätzliche Öffnung der Sitzungen für die interessierte Öffentlichkeit beschlossen. Wer also in der Nähe Herrnhuts wohnt und gerne einmal live erleben möchte, wie so eine Synodentagung abläuft, ist herzlich eingeladen, sich für eine Stunde in den Kirchen- und gleichzeitig Tagungssaal zu setzen.
Zu später Stunde noch eine spannende Wortmeldung von Barbara Reeb, die einen Antrag der Gemeinde Nordrhein-Westfalen einbrachte. Dabei wurde der Wunsch geäußert, gleich zwei Geschwister ins Bischofsamt zu wählen, darunter mindestens eine Schwester. Morgen wird entschieden werden, ob der Antrag genügend Unterstützungsunterschriften erhält und überhaupt behandelt wird.
Die erste Tagung wurde 22.20 Uhr beendet. Auf all jene, die noch nicht sofort ins Bett fielen, wartete die Synodalkneipe (in der selbstredend auch Limonade ausgeschenkt und konsumiert wurde) – ein Ort des ungezwungenen Austauschs, in dem es auch mal um andere Themen gehen kann.
Freitag, 23. Juni – der zweite Tag
Herzlich willkommen zum zweiten Tag der Synode!
Trotz des späten Endes des gestrigen Abends – etliche blieben sogar bis nach Mitternacht in der Synodenkneipe – und der für viele Delegierte sehr weiten Anreise ins geografisch so ungünstig gelegene Herrnhut erlebte die Gebetsgemeinschaft am frühen Morgen Rekordzahlen. Zwanzig Geschwister trafen sich bereits um 7.00 Uhr, um den Tag unter Gottes Führung zu stellen - und mussten sogleich einen größeren Raum suchen, der alle Beterinnen und Beter fasst.
In diesem Sinn trafen sich die verschiedenen Ausschüsse zum morgendlichen Bibelgespräch über die Verse in Lukas 10, 1-2. Darin sendet Jesus seine Jünger aus, mit dem Hinweis, dass die Ernte groß sei, der Arbeiter aber wenig. Eine Steilvorlage, um über die aktuelle Situation in unserer Kirche ins Gespräch zu kommen.
Am Vor- und frühen Nachmittag stellten sich die sechs Kandidatinnen und Kandidaten zur Bischofswahl vor:
• Jørgen Bøytler (66), Christiansfeld (Dänemark)
• Saskia Delvendahl-Bloem (71), Halstenbek
• Rhoïnde Doth (59), Utrecht (NL)
• Christian Lindner (63), Rotterdam (NL)
• Martin Theile (68), Herrnhut
• Jill Vogt (62), Herrnhut
Die Präsentationen und auch die Rückfragen waren von einer demütigen Grundhaltung dem Bischofsamt gegenüber geprägt. Es fühlte sich zu keiner Zeit nach Wahlkampf an.
Spannend wurde es dann in der 2. Nachmittagssitzung durch den Antrag 5, der ursprünglich aus der Gemeinde Nordrhein-Westfalen entstammt und bittet, gleich zwei Personen zu wählen, davon bitte eine Frau. Daraus erwuchs – erstmalig auf dieser Tagung - eine richtige Debattenflut. Die Redebeiträge bewegten sich zwischen zustimmend und ablehnend, zwischen begeistert und verunsichert. So kamen etwa Fragen auf, inwiefern der Aufruf, eine Frau zu wählen, mit der Kirchenordnung vereinbar sei. Und könne es passieren, dass einer gewählten Bischöfin letztlich der Makel einer Quotenfrau anhaftet? Oder sei – anders betrachtet - eine Bischöfin nicht vielmehr der Brüdergemeine besonders angemessen, als Repräsentantin der Hälfte der Kirchenmitglieder? Nicht wenige Wortmeldungen sprachen sich dafür aus, angesichts der Fülle beeindruckender Kandidatinnen und Kandidaten die Chance beim Schopf zu packen und gleich zwei Personen zu wählen.
Der Vorstand musste sich beraten und empfahl ein Wahlverfahren, das es im Moment noch offen lässt, ob morgen eine oder zwei Personen ins Bischofsamt gewählt werden. Klar ist hingegen, dass die Kirchenordnung nicht ermöglicht, die Wahl einer Frau zu bevorzugen.
Die Sitzungen des langen Tages wurden durch ein kulturell-spirituelles Highlight unterbrochen: Eine surinamische Singstunde.
Zum Abend wurden Anträge der Direktion eingebracht, mit denen finanzielle Modalitäten abgeklärt werden sollen. Aus den Dezernaten der Kirchenleitung hörten wir noch einen vergleichsweise schmalen Zwischenbericht. Die Aussprache dazu wurde dann aber mit Einbruch der Dunkelheit unterbrochen. Alle gingen zum Gästehaus KOMENSKÝ - die meisten zur After-Work-Party, während die bemitleidenswerten Mitglieder des Ausschuss 3 noch eine kleine Nachtsitzung einlegen müssen.
Samstag, 24. Juni – Wahltag
Heute ist Wahltag auf der Sondersynode in Herrnhut.
Darauf stimmten sich die Delegierten bei der Bibelarbeit ein. Grundlage für die Gespräche und Gebete in Kleingruppen war 1. Kor 12, 20-26: Es gibt viele Glieder, doch nur ein Leib. Wie passend, dass wir uns im Blick auf die kommende Wahl unter so verschiedenen Persönlichkeiten doch als eine Gemeinschaft verstehen und uns gegenseitig an den einzelnen Gaben erfreuen wollen.
Gleich im ersten Wahlgang ist gegen 11:00 Uhr Rhoïnde Doth als Bischöfin der Brüder-Unität gewählt worden. Die Synode ist froh und dankbar.
Schw. Doth ist 59 Jahre alt und Pastorin der Brüdergemeine Utrecht.
Nach dem Mittagessen folgte ein weiterer Wahlgang. Allerdings entfiel auf keine Person die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit der Stimmen. Wir sind gespannt, wie es weitergehen wird.
Aber eins steht schon fest: mit dieser Wahl gibt es erstmals eine Bischöfin in Festlandseuropa!
Zwischen den Wahlvorgängen blieb noch Zeit für weitere Berichte. Frenetischen Applaus gab es dabei für die drei anwesenden Schwestern aus Albanien, die drei Generationen repräsentieren. In diesem Jahr feierte die Brüdergemeine in Albanien ihren dreißigsten Geburtstag. Die Arbeit, vorrangig unter Frauen und Kindern, wächst weiter: Mittlerweile gibt es bereits sechs Gemeinden, darunter ein Programm mit Roma in der Stadt Lezha.
Nach zwei weiteren Wahlgängen, in denen keine/r der verbleibenden Kandidaten die notwendige Zweidrittelmehrheit erreichen konnte, beschloss die Synode, die Wahl zu beenden.
Pünktlich 18.00 Uhr kam die erfreuliche Nachricht des Vorsitzenden: Die Synode hat's geschafft! Alles, was besprochen werden musste, alle Berichte, alle Wahlen, alle zu bearbeitende Anträge sind abgearbeitet. Nach der Singstunde kommt eine entspannte Abschlusssitzung. In dieser hörten wir auch eine kurze emotionale Rede von Rhoïnde Doth, in der sie uns alle bittet, für sie zu beten. Sie selbst sei nicht kräftig genug, sie brauche die Unterstützung Gottes.
Nach einem letzten Segensvers wird nun gefeiert, dass wir eine neue Bischöfin haben!
Sonntag, 25. Juni – Abschied
Abschied
Der Sonntag war für viele der in den letzten Tagen so unermüdlich Tätigen ein wirklicher Ruhetag. Die Kabinen der Dolmetscherinnen waren leer, die Stühle der Synodaldiener abgeräumt, die sonst so emsige IT-Abteilung nur noch mit einem Techniker vertreten. Auch die Synodalen selbst konnten entspannt frühstücken, ohne auf die Uhr schauen zu müssen. Es lag viel Ruhe und Herzlichkeit in der Luft.
Das betrifft auch jene, die sich am Sonntagvormittag noch nicht zurücklehnen durften: Br. Johannes Welschen betrachtete in seiner auf Niederländisch gehaltenen Predigt den rachsüchtigen Propheten Jona, der nicht verstehen wollte, warum Gott die Stadt Ninive verschonte. Mit klaren Worten, aber ohne zu eifern, verwies er auf Menschen in unserer Zeit, die sich wie vom Mitgefühl Gottes angesteckt um die Nöte dieser Welt sorgen: Jene, die sich Gedanken über eine friedvolle Zukunft in der Ukraine machen; Jugendliche, die auf den Raubbau an unseren Lebensgrundlagen hinweisen – teilweise auch mit drastischen Methoden; Menschen, die in und außerhalb unserer Kirche Buße tun angesichts der unsäglichen Sklavereivergangenheit.
Ebenfalls noch ein weiteres Mal aktiv waren die neun Abendmahldiener, darunter alle sechs Kandidatinnen und Kandidaten zur Bischofswahl – ein eindrückliches Zeichen der Geschwisterlichkeit, die diese Synode geprägt hat! Zum feierlichen und spirituell berührenden Abendmahl trug auch die Kirchenmusik, vor allem der Herrnhuter Jugendchor bei.
Direkt vom Saal in den Bus ging es für die niederländische Delegation. Den restlichen Tag verbrachten sie auf der Straße, erst für Mitternacht war die Ankunft in Amsterdam anvisiert. Auch die Reisenden nach Lettland, Albanien, Schweiz und Dänemark sowie in den Süden, Westen und Nordwesten Deutschlands mussten noch viele Stunden warten, ehe sie zu Hause ankamen.
Richtig angenehm und erholsam war der Sonntagnachmittag aber für das Onlineteam aus Herrnhut.
Von hier aus herzliche Grüße und vielen Dank für Ihr und euer Interesse!