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Anmerkungen zum Jan Hus Predigtpreis 2015
Für die Teilnahme am Jan Hus Predigtpreis 2015 ist es nicht nötig, sich in die historische und theologische Welt des Jan Hus zu versenken, aber einige Bemerkungen mögen hilfreich sein.
Thema Predigt
Nicht nur, weil Jan Hus selbst ein mitreißender Prediger war, ist es gut, sich im Jahr des Gedenkens an seine Hinrichtung mit dem Thema Predigt zu befassen. Die gesamte erste Reformation (ein Begriff des tschechischen Kirchengeschichtlers Amedeo Molnár, der die Erneuerungsbewegungen seit den Waldensern im 12. Jahrhundert bezeichnet) ist durch die Predigt charakterisiert. Dabei ist die Predigt in einer Zeit, in der große Teile der europäischen Bevölkerungen nicht lesen und schreiben konnten, einerseits das natürliche Medium, um die Ideen der Erneuerung der Kirche im Sinne des Evangeliums zu verbreiten. Andererseits hängt die Hochschätzung der Predigt und ihre Demokratisierung durch die Predigttätigkeit von Laien unmittelbar mit dem zweiten Element zusammen, mit der Betonung der Autorität des Wortes Gottes.
Heute ist es schon nicht mehr originell, aber immer noch richtig, von einer Krise der Predigt zu sprechen. Ihre monologische Struktur, die Wortlastigkeit, der lange Atem, den sie von Prediger und Hörern verlangt, all das macht sie zu einem Medium, das schlecht in unsere Zeit zu passen scheint.
Andererseits sind es theologisch auch gerade diese Momente, die davon abraten können, auf die Predigt zu verzichten: Angesprochen zu sein vom Prediger oder der Predigerin und darin Gottes Anrede zu vernehmen; im gepredigten Wort auf geheimnisvolle Weise dem fleischgewordenen Wort Gottes zu begegnen; den plakativen Sprüchen und unentwegten Themensprüngen, die Medien heute um ihrer Nutzer willen machen, sorgfältiges und kluges Bedenken entgegenzusetzen.
Mit dem Predigtpreis unterstreichen wir, dass Predigt heute möglich und nötig ist.
Die Krise der Predigt ist aber auch eine inhaltliche. Und auch für diese können die erste Reformation und Jan Hus Impulse geben. Deswegen haben wir, überzeugt, damit nicht in die notwendige Freiheit der Predigt einzugreifen, unterstrichen, was für Hus und für Predigt bis heute wichtig ist: Die Bindung an die Bibel, eine verständliche Sprache, gesellschaftliche Relevanz.
Sola Scriptura
- die Bibel allein! fordert nicht erst Martin Luther, sondern findet sich in verschiedensten Variationen in den Teilbewegungen der ersten Reformation - Jan Hus wird seine Verteidigung vor dem Konstanzer Konzil unter der Überschrift »Von der Genügsamkeit des Gesetzes Gottes für die Leitung der kämpfenden (irdischen) Kirche« versuchen.
Wir haben lange überlegt, wie wir diese Anforderung in der Ausschreibung zum Predigtpreis formulieren. Leichter als die positive Bestimmung fällt hier die Abwehr: Themenpredigten mit nur einer schwachen Anknüpfung an biblische Bezüge können etwas Gutes sein, doch im Jahr 2015 sehen wir den Auftrag, neu zu entdecken, wieviel Kraft in der Bibel selbst steckt. Dabei steht Predigern und Predigerinnen heute zum Teil die Jahrtausende alte Auslegungstradition im Weg, die frische Entdeckungen zu blockieren scheint. Außerdem stehen wir anders als Hus auch in der Tradition des kritischen Umgangs mit biblischen Texten als historischen Dokumenten. Daher kann es verantwortlich bei einer an der Bibel orientierten Predigt nicht um biblizistische Auslegung gehen. Hus hat den Glauben an den Papst abgelehnt hat mit dem Hinweis darauf, dass nur Gott allein Glaube zukommt. In seinem Sinne könnte man variieren: Wir glauben nicht an die Bibel, als wäre sie eine göttliche Person, sondern wir glauben durch die Bibel an Gott. Die Bibel als Gottes Wort und gleichzeitig menschliches Wort ernst zu nehmen, das könnte notwendige Basis auch für heutiges Predigen geben.
Leichte Sprache
Wenn heute im Zeitalter der Inklusion auch das Predigen in leichter Sprache versucht wird, liegen wir mit der Anforderung, dass die Predigt verständlich sei, im Trend. Wir sind damit gleichzeitig nah bei Jan Hus. Er sprach in seinen Predigten in der Bethlehemskapelle die Muttersprache seiner Hörer. Er predigte bild- und geschichtenreich. Später formulierte er im erzwungenen Unterschlupf in der Provinz, die wichtigsten Themen des Glaubens (Glaubensbekenntnis, Zehn Gebote, Vaterunser) in einer Sprache, die das Volk verstand.
Zur Krise der Predigt gehört heute nicht mehr, dass sie lateinisch daherkommt, dennoch werden Predigten von Hörern ohne kirchlichen Hintergrund häufig als »fremdsprachlich« wahrgenommen, vielfach sind sie auch bei Christen weit entfernt von ihrer Alltagssprache. Schuld daran ist zum Teil der Gebrauch von Chiffren und Floskeln, die Insidern vertraut sind, inhaltlich aber wenig gefüllt. Die Aufgabe verständlich zu predigen ist komplex. Um ein einfaches »Dem Volk aufs Maul Schauen« geht es dabei nicht. Jugendliche Hörer etwa sind durchaus nicht entzückt, wenn sie den Verdacht haben, ein Erwachsener biedere sich mit jugendsprachlichen Ausdrücken bei ihnen an. Ebenso verfehlt ist es, in Familien- und Kindergottesdiensten um der Verständlichkeit willen Glauben light zu bieten, weil Tieferes Kindern noch nicht vermittelbar sei.
Dabei werden die Predigenden, um die konkreten Hörer zu erreichen, sehr verschieden sprechen. Eine Predigt vor einer Studentengemeinde wird anders ausfallen als im Pflegeheim oder in einem Schulgottesdienst. Immer aber werden solchen Predigten »gute«, treffende Sprache verwenden, die schwierige Sachverhältnisse nicht versimpelt.
Gerade um dieses zweiten Qualitätsmerkmals willen, ist es uns wichtig, die konkrete Predigtsituation zu erfahren, in der die Predigten gehalten worden sind, die zum Jan Hus Predigtpreis 2015 eingereicht werden.
Gesellschaftliche Relevanz,
wie oben ausgedrückt, gehört zu den Floskeln, die in einer Predigt nicht unbedingt verwendet werden sollten. Aber worum es geht, ist klar: Hus legte von seinem Verständnis der biblischen Botschaft her den Finger in die Wunden von Kirche und Gesellschaft seiner Zeit, so dass die Herrschenden ihn schließlich als gefährlichen Unruhestifter hinrichten ließen. In dieser Hinsicht ist sein Schicksal durchaus mit dem Jesu vergleichbar. Auch Jesus war im Selbstverständnis kein Revolutionär, und doch kam er mit seiner Verkündigung der Herrschaft Gottes geistlichen und weltlichen Mächtigen in die Quere. »Besser einer stirbt anstatt das ganze Volk« galt für die Beweggründe der Geistlichkeit in beiden Fällen.
In Deutschland haben wir bedingt durch die lutherische Zweireichelehre und durch eine vielerorts starke pietistische Tradition eine eher privatreligiöse Predigtkultur ausgebildet. Anders ist dies im reformierten Teil der zweiten Reformation, in den Niederlanden oder der Schweiz.
Nun kann man einwenden: Schränkt nicht gerade die Anforderung gesellschaftliche Bezüge herzustellen, ja womöglich gesellschaftskritisch zu sein, die Freiheit der Predigt unzulässig ein? Das ist nicht der Fall, wenn man mit der Barmer Theologischen Erklärung den »kräftigen Anspruch« von Gottes Wort »auf alle Bereiche unseres Lebens« bekennt. Auch wenn bei aktuellen Krisen (Katastrophen, Flüchtlingsströme etc.) glücklicherweise dieses Wissen bei Predigenden hierzulande durchaus da ist, ist das Gedenken an den kirchen- und gesellschaftskritischen Prediger Hus nicht überflüssig. Allzu häufig wird in unseren Kirchen zeitlos gepredigt.
Ein Letztes:
Der Jan Hus Predigtpreis ist mit einem Preisgeld ausgestattet. Steht dies nicht im Widerspruch dazu, dass Jan Hus lebenslang dagegen kämpfte, dass sich die Kirche seiner Zeit durch ihre geistlichen Dienste (Kasualien, Messen, Predigten, Ablässe ...) bereicherte? Kann nicht außerdem die Aussicht, einen Preis zu gewinnen, auch den Ehrgeiz, die Eitelkeit ansprechen? Die Einwände sind nicht von der Hand zu weisen. Doch welcher Prediger, welche Predigerin sich selbst kennt, weiß, dass sich diese Fragen nicht nur in Bezug auf den Predigtpreis stellen: Angestellte oder beamtete Prediger bekommen für ihre Tätigkeit Geld, das öffentliche Predigen ist anfällig für persönliche Eitelkeiten, das Erlebnis von Macht bei der Predigt spielt eine nicht zu unterschätzende Rolle für das Selbstgefühl von Pfarrern und Pfarrerinnen. Auch Hus übrigens hat für seine Predigttätigkeiten, wenn auch in vergleichsweise bescheidenem Maße, Geld aus Abgaben, Kirchensteuern erhalten.
Mut!
Zu unseren Überlegungen für den Jan Hus Predigtpreis gehörte ursprünglich übrigens noch die Erwartung, dass die eingereichte Predigt »mutig« sei, wie Jan Hus es war. Wir haben dies aus dem Katalog genommen, denn wir gehen heute zum Glück viel geringere Risiken als Jan Hus ein, wenn wir in unserem Predigen auch Unbequemes äußern.
Dennoch gehören zum Jan Hus Predigtpreis 2015 auch die Predigenden, die zu dem stehen, was sie sagen.
Wir wünschen viel Freude am Predigen!
Wir freuen uns auf viele Predigten!
Wir sind zuversichtlich, durch den Jan Hus Predigtpreis 2015 600 Jahre nach seiner Verbrennung das Vermächtnis von Jan Hus in bescheidener aber zentraler Weise aufzunehmen.
Herrnhut, im Januar 2015
Evangelische-Brüderunität - Herrnhuter Brüdergemeine