»Mare nostrum« und die Losung am 22.4.2015
Das Losungswort am 22. April machte sie auf dem Hintergrund der aktuellen Nachrichten aus dem Mittelmeer sehr nachdenklich. Lesen Sie den Text der bewegenden Andacht.
Lied: »Wir haben Gottes Spuren festgestellt« BG 72/ EG Hessen 665
Losung:
Als Mose seine Hand über das Meer reckte, ließ es der Herr zurückweichen durch einen starken Ostwind.
2. Mose 14,21
Eine Geschichte vom Meer als Massengrab.
Damals das Rote Meer.
Bis jetzt hatte ich gedacht, dass diese biblische Geschichte eine Art Mythos ist,
eine wunderbare Erfindung, um Gott zu loben und zu preisen,
Gott, der möchte, dass seine Menschen in Freiheit leben,
der die Flüchtlinge durchs Meer hindurch kommen lässt
und dafür die hoch gerüstete Armee der Wohlstandsägypter im Meer umkommen lässt.
Es hatte mich bislang immer beruhigt, dass die Historiker sagen:
Vermutlich hat es dieses Massensterben im Schilfmeer nie gegeben.
Denn Gott freut sich auch nicht, wenn Soldaten umkommen.
Aber jetzt:
Die Wirklichkeit sieht der Geschichte im Exodusbuch, im Buch von Auszug, verdächtig ähnlich:
Nur, dass das Meer Mittelmeer heißt.
Oder wie die Italiener sagen: Mare Nostrum.
Unser Meer, und das gilt nicht nur für die Italiener, sondern für alle Europäer.
Am entscheidenden Punkt aber ist die Geschichte heute anders:
Nicht die Militärs kommen um,
nicht die, die aus den Flüchtlingen Geld machen wollen,
sondern die Flüchtlinge selbst.
Und es sind tatsächlich nicht nur ein paar, sondern Tausende.
Wir fühlen wir uns?
Wie fühle ich mich?
Hilflos, gelähmt, nicht mal mehr zu echter Trauer fähig.
Dabei habe ich eine halbe Wohnung übrig.
Aber da mir der Mut fehlt, diese einer syrischen Familie anzubieten,
kann ich auch nicht auf die Politiker schimpfen, wie ich gern wollte.
Sind sie doch genauso hilflos - und nicht nur einfach böse.
Steckt auch für uns in den heutigen Losungsworten etwas drin?
Wenn Paulus schreibt:
»Zur Freiheit hat uns Christus befreit.« Galater 5,1
meint er weder Flüchtlinge im Roten noch im Mittelmeer.
Er spricht Christen an, die nicht wissen, was denn jetzt für sie gilt:
Das Gesetz, die Bibel und alle Vorschriften - und wehe, wenn du sie nicht hältst!?
Gelten für uns Christen also beispielsweise die häufigen Ermahnungen im Alten Testament Fremdlinge, Flüchtlinge wie Einheimische zu behandeln, mit allen Sozialvorteilen wie arbeitsfreiem Tag und Unterstützung in Not?
Müssen wir sie einhalten?
Paulus sagt: Nein, sie gelten nicht, ihr seid frei vom Gesetz.
»Zur Freiheit hat uns Christus befreit.«
Christus macht euch frei davon, das Gesetz punktgetreu zu befolgen, er hat euch erlöst.
Fällt uns da ein Stein vom Herzen?
Aber Halt! Paulus sagt nicht: Ihr sollt ihnen nicht helfen.
Paulus sagt nicht: Ihr könnt mit euren Nächsten tun und lassen, was ihr wollt.
Paulus sagt: »Zur Freiheit hat uns Christus befreit.«
Für mich heißt das: Du wirst dir nicht den Himmel verdienen dadurch,
wenn du dem Flüchtling Wohnraum stellst.
Du wirst Gott nicht einen Deut gnädiger stimmen, wenn du Dich auf den Kopf stellst.
Aber: Du bist befreit.
Die Taufe ist, so sahen es die Christen von Anfang an,
wie ein Auszug aus einem dunklen Land in die Freiheit.
Aus dem Land der Gefangenschaft in der Sünde,
wo man gezwungen ist, nur sich selbst im Blick zu haben,
wo man nur aus Zwang und nicht aus Freiheit das Richtige tut.
»Zur Freiheit hat uns Christus befreit.«
Dann heißt es also mit Paulus nicht:
Ihr müsst euch jetzt um die ganze Welt kümmern,
aber es heißt: Ihr könnt euch um andere kümmern.
Denn ihr seid selbst freigemacht, ausgezogen, durchs Meer gekommen, gerettet.
Kein moralischer Zeigefinger ist es, was wir Christen brauchen.
Aber das Wissen stark machen, können wir,
dass unsere Freiheit ein Geschenk ist,
dass wir Freigemachte sind, die anderen zur Freiheit verhelfen können.
Vielleicht, hoffentlich, wird uns dies auch frei machen
von der Lähmung, Rat‐ und Ideenlosigkeit angesichts der Nachrichten heute.
Lied: »Herr, deine Liebe ist wie Gras und Ufer« BG 733/ EG (Hessen)653)
Die Synode der Europäisch-Festländischen Brüder-Unität beschloss im vergangenen Juni, das Thema Flüchtlinge als vordringlich in allen Gemeinden zu behandeln. Dies wurde auf der gerade zu Ende gegangenen Konferenz der Brüdergemeinen in Deutschland noch einmal bekräftigt und konkretisiert.