1. Juli 2013

150 Jahre Befreiung von Sklaverei in Surinam

 

»Geht es eigentlich um die Frage, wie wir wahrhaftig freie Brüder und Schwestern sein können? Ich denke, dass wir schon lange auf der Suche nach der Antwort auf diese Frage sind. Wir versuchen, einander in die Augen zu sehen und die Dinge auszusprechen. Aber was meines Erachtens noch immer in der Beziehung eine Rolle spielt, ist die fehlende Anerkennung des Unrechts der Sklaverei. Solange die Anerkennung nicht stattfindet, wird für mich selbst immer ein gewisses Spannungsfeld in der Beziehung zu meinen weißen Brüdern und Schwestern bestehen bleiben. Ich weiß aus der Erfahrung in meiner Umgebung, dass dieses Gefühl sehr lebendig ist bei schwarzen Menschen. Der schwarze Mann vertraut dem weißen Mann nie wirklich ganz. Nicht, weil es die Sklaverei gegeben hat, sondern eher, weil die Sklaverei nicht wirklich anerkannt wird. Wenn über den Zweiten Weltkrieg, über Niederländisch-Indien, über die Molukker frei gesprochen werden kann, warum nicht über die Vergangenheit der Sklaverei? Dieses Gefühl, das wir als Surinamer haben, ist schon seit Generationen da. Es ist Jahrhunderte alt und ein fast vertrautes, selbstverständliches Gefühl geworden, das von Generation zu Generation übertragen wird.«

Mit diesen Worten beginnt eines der Interviews mit Geschwistern surinamischer Herkunft, die in einem kleinen Buch erschienen sind. Die Worte fassen zusammen, um was es bei allen Aktivitäten geht, die die Brüdergemeine in den Niederlanden im Zusammenhang mit der Feier von 150 Jahren Befreiung von Sklaverei im Jahr 2013 organisiert: ein ehrliches und offenes Gespräch über eine Geschichte, die bis heute für viele Menschen schmerzhaft ist; Anerkennung dieses Erbes, damit Vertrauen wachsen kann.

Wenn das Thema Sklaverei zur Sprache kommt, winken tatsächlich viele Niederländer ab: »Das ist doch schon so lange her, warum muss man das immer wieder aus der Klamottenkiste der Geschichte holen?« Vielleicht hat dieses Abwinken damit zu tun, dass sogleich die Schuldfrage am Horizont auftaucht, die man möglichst vermeiden möchte. Wie aktuell das Thema aber für die Nachfahren der Sklaven ist, wurde mir bei der Tagung zum Konziliaren Prozess vor ein paar Jahren deutlich, wo eine Schwester aus Amsterdam aufstand und sagte: »Meine Großmutter hat mir schon früh die Geschichten ihrer Großmutter erzählt, die als Sklavin geboren wurde. Und ich spüre heute noch ihren Schmerz in mir.«

Die Anerkennung der Vergangenheit lässt Vertrauen wachsen

Das Thema Sklaverei ist jedoch keineswegs nur ein Thema von Surinamern und Niederländern. Die Brüdergemeine in Europa hat allen Anlass, sich ihm erneut zu stellen. Denn der eingangs zitierte Wunsch nach Anerkennung der Geschichte der Sklaverei bezieht sich auch auf die Brüdergemeine. Ich bin davon überzeugt, dass die Nachwirkungen der Geschichte der Sklaverei es uns auch heute noch schwer machen, uns als eine Kirche, eine gemeinsame Provinz der Brüder-Unität zu verstehen – gerade weil sie oft nicht besprochen werden. Sicher gibt es auch andere Gründe für unsere Verständigungsschwierigkeiten. Aber wir sollten das Gedenken 2013 zum Anlass nehmen, die Rolle der Brüdergemeine in der kolonialen Zeit noch einmal anzusehen.

Als August Gottlieb Spangenberg 1735 durch die Direktoren der »Sociëteit van Suriname« in Amsterdam nach der Haltung der Brüdergemeine zur Sklaverei gefragt wurde, bevor er die Zustimmung zur Mission in der Kolonie bekam, antwortete er nach seinem Bericht: »Da wurde ich nun gefragt, was sie wegen der Sclaven sentirten? Ich antwortete, wie sie glauben, man müsse sie suchen zu Christo zu bringen, sie aber alsdann ermahnen, doppelte Treu und Fleiß zu beweisen, und deshalb keine leibliche Freiheit zu verlangen, wohl aber mit Dank anzunehmen, wenn sie ihnen ultro gegeben würde. Hiermit waren sie zufrieden.« Natürlich war ein Stück Diplomatie bei dieser Aussage, aber über ihr wie über der ganzen Geschichte der Brüdermission in Surinam liegt doch der Schatten einer großen Ambivalenz.