Die Böhmische Reformation

Seit etwa 1360 wandten sich Prediger im böhmischen Prag öffentlich gegen Missstände in der Kirche. Sie predigten auf Tschechisch und auf Deutsch. Große Menschenmassen strömten herzu, denn so wurde der Glaube für sie spannend und lebensnah. 1391 wurde die Bethlehemskapelle gebaut, eine Predigtkirche für 3.000 Menschen.

Hier predigte auch Jan Hus. Bald nach seinen öffentlichen Auftritten wurde der Kelch das Symbol der von ihm ausgelösten Bewegung. Dahinter stand die Forderung, dass nicht nur Priester das Abendmahl in Brot und Wein empfangen sollten. Auf dem Konzil von Konstanz, der großen abendländischen Kirchenversammlung, wurde Jan Hus inhaftiert und 1415 zum Tode verurteilt und verbrannt. Sein Einstehen für Wahrhaftigkeit in der Kirche ist nicht untergegangen.

Der tschechische Reformator Jan Hus wird 1415 als Ketzer in Konstanz verbrannt
Der tschechische Reformator Jan Hus wird 1415 als Ketzer in Konstanz verbrannt

Einige Hus-Anhänger zogen ins südböhmische Tábor, um ein endzeitliches Jerusalem aufzubauen. Andere blieben in Prag und bildeten die Utraquistenkirche. Ihr Name bezieht sich auf das lateinische Wort für den Genuss des Abendmahls »in beiderlei Gestalt« (als Brot und Wein).

Die Brüder-Unität wird in Kunvald gegründet

Von den Predigten des utraquistischen Bischofs Jan Rokycana (um 1390- 1471) in der Prager Teynkirche wurde auch sein Neffe Gregor (Řehoř) inspiriert. Er empfand einen starken Widerspruch zwischen den Predigten Rokycanas und den Kompromissen, die er als Kirchenführer machte. Vermutlich 1457 zog Gregor mit einigen Brüdern in das Dorf Kunvald. Sie bildeten die erste Gemeinde der Brüder-Unität und wählten 1467 eigene Gemeindeleiter (Priester).

Wir sind solche, die sich ein für allemal entschlossen haben, sich nur durch das Evangelium und das Vorbild des Herrn Christus und der heiligen Apostel in Sanftmut, Demut, Geduld und Feindesliebe leiten zu lassen.

Bruder Gregor, 1461 aus dem Gefängnis

In Kunvald (Tschechien) wurde 1457 die Brüder-Unität gegründet

Leben mit der Bergpredigt

Für die Brüder hatte das Neue Testament eine hohe Bedeutung, und darin besonders die Bergpredigt Jesu mit ihren Forderungen nach einem gewaltfreien Leben im Glauben an Gott (Matthäus 5-7). Während der ganzen Zeit ihres Bestehens legten sie einen großen Wert auf ihre Gemeindeordnungen.

Ende des 15. Jahrhunderts diskutierten die Brüder die Frage, ob der Rückzug auf das Land die einzige Möglichkeit für einen Glauben ohne falsche Kompromisse ist. Nach heftigem Ringen öffneten sie sich auch für Handwerker und Stadtbewohner. Der Theologe Lukas von Prag formulierte 1492: »Gutes Tun und Böses vermeiden, das dient an sich dem Seligwerden keineswegs.« Sondern man erlangt das Heil einzig aufgrund des Leidens und Sterbens von Jesus Christus. Damit nahm er Gedanken vorweg, die Martin Luther 25 Jahre später noch prägnanter aussprechen sollte.